Colin Kaepernick, Nike und die Rassismus-Debatte zum Kickoff der neuen NFL-Saison

Marc am 06. September 2018

Fast genau zwei Jahre ist es nun her, als am 14. August 2016 eine politische Aktion die NFL in ihren Grundfesten fast schon erschütterte: Colin Kaepernick, Quarterback der San Francisco 49ers, kniete beim Abspielen der US-Nationalhymne im Vorfeld eines Trainingsspiels und sorgte damit für einen Eklat. Mit seiner Weigerung aufzustehen wollte er gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in den Vereinigten Staaten protestieren. In den nächsten Wochen und Monaten fand Kaepernick immer mehr Nachahmer und selbst in der Bundesliga konnte man die Spieler von Hertha BSC beobachten, wie sie vor einem Liga-Match solidarisch auf die Knie gingen. Was vielen aus dem Herzen sprach, verärgerte andererseits vor allem die konservativen Amerikaner und an deren Spitze US-Präsident Donald Trump.

Wer die Zeremonie vor einem NFL-Spiel verfolgt, staunt hierzulande meistens über den Patriotismus. Die Hymne erklingt, alle Spieler, Teammitglieder und auch die Zuschauer fassen sich ans Herz und singen lautstark mit, während die amerikanische Flagge im Wind weht und über dem Stadion oft noch Militärjets eine kleine Flugshow abhalten. In den Augen der konservativen Bevölkerung waren Colin Kaepernick und die anderen Protestler also Verräter, die der stolzen Nation keinen Respekt zollen. Während Unterstützer wie Ex-Präsident Barack Obama die Aktion lobten, tobte Präsident Trump und forderte die Entlassung aller Querulanten. Teile der Polizei sahen sich diffamiert und kündigten an, im Stadion der 49ers keinen Dienst mehr zu verrichten. Zwischen den Stühlen saß dagegen die NFL - und das bis heute noch offensichtlich ziemlich ratlos. Soll man gegen Spieler wie Kaepernick disziplinarische Maßnahmen ergreifen oder ist das Recht auf freie Meinungsäußerung doch wichtiger?

Bis heute versucht die NFL das Problem mehr oder weniger auszusitzen - doch das fällt ihr spätestens beim heutigen Kickoff zur neuen Saison zwischen den Philadelphia Eagles und den Atlanta Falcons ordentlich auf die Füße.

Diese Woche hat Sportartikel-Hersteller Nike - immerhin Hauptausrüster der NFL-Teams - nämlich seine neue Werbekampagne "Dream Crazy" gestartet. Und einer der Stars in dem dazugehörigen Spot ist niemand Geringeres als Colin Kaepernick, mittlerweile vereinsloser Free Agent. Dass Nike die umstrittene Ikone des Widerstands zum Gesicht seiner neuen Kampagne gemacht hat, sorgt für Wirbel - und teils idiotische Gegenaktionen. So wurden im Netz Nike-Socken zerschnitten und Turnschuhe vor laufender YouTube-Kamera verbrannt. Doch diesen Hass wird der Hersteller einkalkuliert haben und hofft sicherlich, dass man durch diesen Coup mehr Kunden gewinnt als verliert. Und die Rechnung könnte aufgehen: der Spot ist in aller Munde und wurde innerhalb eines Tages bereits knapp 4,5 Mio. mal im Netz aufgerufen. Marketing-Experten sprechen allein durch die Views von Gratiswerbung im Wert von über 40 Mio. US-Dollar.

Die NFL steckt nun in der Klemme: Das Lavieren zwischen Präsident Trump, den Fans und den Spielern war schon die letzten zwei Jahre ein Debakel, nun funkt auch noch Sponsor Nike dazwischen. "Die NFL glaubt an Dialog, Verständnis und Eintracht. Die Fragen der sozialen Gerechtigkeit, die Colin und andere Profisportler aufgeworfen haben, verdienen unsere Beachtung", heißt es jetzt seitens der Liga wie ein Fähnchen im Wind. Was anderes bleibt dem Unternehmen NFL wohl auch nicht übrig, denn in einer Werbepause wird der neue Nike-Spot seine TV-Premiere feiern.

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